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Der Einfluss von Erinnerungsarbeit in der kolumbianischen Bildungsgemeinschaft: Zur Erforschung von Geschichtsbewusstsein

Dieses Forschungsvorhaben untersucht den gesellschaftlichen Einfluss von Erinnerungsarbeit an dem konkreten Beispiel von Bildungsgemeinschaften in Kolumbien. Dazu analysieren wir verschiedene Medien und Wege, über die Vergangenheitsinterpretationen verbreitet und Angebote für die Entwicklung eines Geschichtsbewusstseins gemacht werden.

Im Rahmen des Friedensprozesses hat die kolumbianische Regierung das staatliche Erinnerungsgebot mehrfach bekräftigt und mit dem Nationalen Zentrum für historisches Gedächtnis (Centro Nacional de Memoria Histórica, CNMH) auch die entsprechende Institution geschaffen, um diese Verpflichtung zu erfüllen. Obwohl das CNMH inzwischen mehr als 80 Berichte verfasst hat und auch die Forschungstätigkeit zur jüngeren Vergangenheit stark angestiegen ist, ist diese Arbeit bei einem Großteil der kolumbianischen Bevölkerung wenig oder gar nicht bekannt.

Mit unserem Projekt gehen wir die offensichtliche Lücke zwischen den institutionell-akademischen Bemühungen einerseits und den individuell und kollektiv konstruierten Gedächtnissen andererseits an, um so die gesellschaftlichen Dynamiken, über die sich eine Erinnerungsgemeinschaft konstituiert, besser zu verstehen. Unsere zentrale Forschungskategorie ist das Konzept des Geschichtsbewusstseins, wesentliches Lernziel historischen Lernens. Mit dieser Kategorie können individuelle und soziale Haltungen gegenüber der Vergangenheit nach grundlegenden politischen Veränderungen beschrieben und bewertet werden.
Unsere Untersuchung konzentriert sich auf eine Gruppe, die in den Verhandlungen um die Deutung der Vergangenheit einen strategischen Platz einnimmt: die Schule und die sie umgebende Gemeinschaft. In der Schule werden geschichtspolitische Strategien angewendet, wobei institutionalisierte Narrativen auf individuelle Erinnerungen und Vorstellungen treffen und in Konkurrenz treten. Für unsere Untersuchung berücksichtigen wir daher sowohl institutionalisierte als auch informelle Wege des Lernens über die Vergangenheit, wobei wir uns auf zwei Medien der Vermittlung konzentrieren: Schulgeschichtsbücher und Fernsehserien. Während Geschichtsbücher vor allem institutionalisierte Vergangenheitsdeutungen vermitteln und über eine hohe diskursive Autorität verfügen, zeigen Fernsehserien oftmals alternative, nicht-hegemoniale Versionen. Beide Medien greifen auf vorhandene soziale Deutungsmuster zurück, machen aber gleichzeitig Angebote, um eben jene Interpretationen zu entwickeln.

Um diese (medialen) Einflüsse der Erinnerungsarbeit auf die Entwicklung eines Geschichtsbewusstseins zu untersuchen, werden wir Umfragen und Interviews mit Schülern, Lehrern und Eltern aus verschiedenen sozialen Schichten und in unterschiedlichen Regionen Kolumbiens durchführen. Mit der Analyse der so erhobenen Daten tragen wir zu einem besseren Verständnis der zugrundeliegenden sozialen Dynamiken und Wege bei, über die das historische Gedächtnis konstruiert wird.

Dieses Forschungsprojekt eine Zusammenarbeit mit dem Departamento de Lenguas y Cultura der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Universidad de los Andes (Bogotá) und wird im für eine Zeitraum von drei Jahren (2019 - 2021) Rahmen der Ausschreibung „KOLUMBIEN UNIANDES 2018 - Joint Research Grants“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Vicerrectoría de Investigaciones der Universidad de los Andes (Bogotá) gefördert.