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Hintergrundinformationen zum modernen Text

Das Textbeispiel ist nur der erste Abschnitt eines langen Gebetes mit der Bitte um Regen.

Es wurde in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. von einer Altamerikanistin in Xonacatlan im mexikanischen Bundesstaat Guerrerro aufgenommen und von ihr erstmals schriftlich fixiert.

Die Regenbitte ist nur einer von vielen rituellen Texten, die während eines umfangreichen Komplexes von Agrarzeremonien, die sich über mehrere Wochen erstrecken, gesprochen werden (Scherres 2003: 85-120). Andere Anlässe für das Sprechen ritueller Texte sind in Xonacatlan z.B. Opferzeremonien an Heiligenfesten (ibid.: 73-84), Opfer für die Verstorbenen (ibid.: 121-137) und sog. Lebensrituale (ibid.: 139-179).

Weder in Xonacatlan noch in anderen nahuatl-sprachigen Gemeinden Mexikos sind die rituellen Texte schriftlich fixiert. Sie werden bei gegebenem Anlass nicht verlesen, sondern frei gesprochen. Wenn sie von Dritten aufgenommen und transkribiert werden, werden sie zum ersten Mal niedergeschrieben.

Dies trifft nicht nur auf rituelle Texte zu. In vielen nahuatl-sprachigen Gemeinden werden bei - wie wir sagen würden - familiären Anlässen Reden gehalten. So werden z.B. bei Geburt und Taufe eines Kindes, dem 15. Geburtstag eines Mädchens, bei offizieller Brautwerbung und Hochzeit meist von dazu speziell autorisierten Personen an verschiedene Adressaten Reden gehalten. Auch sie werden nur mündlich formuliert und weitergegeben.

Sogenannte Cuentos (Erzählungen) bilden ein weiteres weitverbreitetes mündlich vermitteltes Textgenre. Sie dienen in erster Linie der Unterhaltung, enthalten aber auch meistens eine Lehre, die der oder die Zuhörer beherzigen sollen.

In jüngster Zeit gibt es in Mexiko Bestrebungen die bisher ausschließlich mündlich überlieferten Texte in indigenen Sprachen, u. a. Nahuatl zu sammeln und zu veröffentlichen.

Es ist aber auch eine "neue" Schrifttradition im Entstehen begriffen, die von indigenen Literaten und Publizisten getragen wird. Als Beispiel sei hier der Gedichtband Sempoalxóchitl (1987) des Nahuatl schreibenden Lyrikers José Antonio Xokoytzij, dem Pseudonym von Natalio Hernández Hernández genannt.

Scherres, Hedda Erika (2003). Wir opfern für das Leben. Studien zu Opferritualen und zur Lebenswelt der Xonakatekos in Mexiko. Acta Mesoamericana 13. Markt Schwaben: Verlag Anton Saurwein.

Xocoyotsij, José Antonio (1987). Sempoalxóchitl. Veinte Flores: Una Sola Flor. México: Universidad Nacional Autónoma de México, Instituto des Investigaciones Históricas

 

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