Springe direkt zu Inhalt

Porträt Ernesto Cardenal

Cardenal wurde 1926 in Nicaragua als Sohn einer wohlhabenden Patrizierfamilie geboren. Er besuchte Jesuitenkollegien in Nicaragua und Mexiko, später studierte er Literatur in Managua und in Mexiko-Stadt. Es folgten Studienjahre in New York und Reisen nach Europa, wo sich in Paris eine Freundschaft mit Octavio Paz entwickelte. 1950 kehrte er nach Nicaragua zurück und beteiligte sich 1954 aktiv an der zunächst nicht erfolgreichen Aprilrevolution gegen den Diktator Anastasio Somoza. Danach trat er einem Kloster im US-amerikanischen Kentucky bei, das er jedoch bald wieder verließ, um von 1961 bis 1965 in der mexikanischen Kleinstadt Cuernavaca Theologie zu studieren. 1961 schrieb Cardenal seine “Psalmen“, die heute noch als Grundlage der Befreiungstheologie gelten, und wurde 1965 zum Priester geweiht. 1966 gründete Cardenal auf Solentiname, einer Gruppe von achtunddreißig Inseln im Großen See von Nicaragua, eine christliche, klosterähnliche Kommune. Solentiname wurde als Ort der Besinnung, der Poesie und der Solidarität mit den Ärmsten der Armen weltberühmt. Seit der Zerstörung der Kommune durch die Truppen Somozas im Jahr 1977 lebte Cardenal im Exil und kämpfte gemeinsam mit der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN gegen den Diktator. Mit dem Sieg der sandinistischen Revolution im Juli 1979 wurde Cardenal zum Kulturminister des Landes ernannt. Er blieb dies bis zur Abwahl der Sandinistas im Jahr 1990. Der Vatikan entzog ihm aufgrund seines Engagements das Priesteramt. Ein Jahr zuvor, im Jahr 1989, gründeten er und der deutsche Schauspieler Dietmar Schönherr die Stiftung Casa de los tres mundos, die als eines der wichtigsten Kulturzentren Lateinamerikas gilt. Heute zählt Cardenal, der in Managua lebt und dort weiterhin als Schriftsteller aktiv ist, zu den schärfsten Kritikern seines ehemaligen Kampfgefährten Daniel Ortega.

Henriette Friede