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Porträt Elisa Ramírez

Aufgewachsen ist Elisa Ramírez in einer liberalen Akademiker-Familie. Der Vater war Psychoanalytiker, auch die Mutter beschäftigte sich mit dem damals neuen Feld der Psychoanalyse. Ramírez zählte bereits zur dritten Generation von Frauen, die an der Hochschule studierten. Die junge Frau war das Diskutieren gewöhnt, als sie 1966 ihr Studium der politischen Wissenschaften an der UNAM begann. Dort wurde sie zunächst von der Kommunistischen Jugend rekrutiert. „Doch während ich noch dabei war, Texte zu lesen und mich diszipliniert damit auseinander zu setzen, worum es ging, warben mich die Spartakisten ab. Ich war auch dort gar nicht richtig dabei, als wir schon wieder in Massen zu den Trotzkisten überwechselten. Wir gründeten schließlich eine kleine anarchistische Partei, was für damalige Verhältnisse ziemlich ungewöhnlich war.“ Die junge Politikstudentin engagierte sich im „Kampfkomitee“ ihrer Fakultät, organisierte einige der „Frauenbrigaden“ und gehörte zum libertär-kulturellen Flügel der Bewegung („Rayuela war unsere Bibel“), die unter Hardlinern als „kleinbürgerlich“ verschrien war. „Das Jahr 68 hat einige Prozesse beschleunigt, die ohnehin gekommen wären. Die sexuelle Befreiung hatte schon vorher begonnen, sie war weder inexistent noch unsichtbar, aber leiser. Was mit dem Minirock, dem freien Ausleben unserer Sexualität und unserer Körperlichkeit begonnen hatte, setzte sich schließlich in einer neuen Sprache fort (...).“ Am Tag nach dem Massaker von Tlatelolco lernte Ramírez den Maler Francisco Toledo kennen und ging mit ihm für zwölf Jahre in seine Heimatstadt Juchitán in Südmexiko. Dort baute sie zusammen mit ihm die Casa de la Cultura de Juchitán auf und begann, sich intensiv mit indigenen Kulturen zu beschäftigen. Heute arbeitet Elisa Ramírez als freiberufliche Soziologin, Schriftstellerin, Lyrikerin, Dozentin und Übersetzerin wieder in Mexiko-Stadt.

Mareike Lühring / Anne Huffschmid