Springe direkt zu Inhalt

Leben und Wirken von Margherita von Brentano

Margherita hatte schon immer das Bewußtsein, auf der anderen Seite zu stehen“*  

 

Margherita von Brentano wurde am 09. September 1922 als Tochter einer adligen Familie des Großbürgertums geboren. Ihr Vater Clemens von Brentano war Diplomat und Teil einer großen Familie von berühmten Frauen und Männern aus den Bereichen Literatur, Kunst, Politik und Wissenschaft. Margherita von Brentano begann mit 19 Jahren ihr Studium der Philosophie in Berlin und schloss dieses erfolgreich 1945 mit der Lehramtsprüfung in Freiburg ab. Drei Jahre später wurde sie bereits bei Martin Heidegger promoviert. 1956 wechselte sie an die Freie Universität Berlin, wo sie zunächst als Assistentin bei Prof. Dr. Wilhelm Weischedel am Institut der Philosophie arbeitete und schließlich von 1972 bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 1987 als Professorin tätig war.

Trotz ihrer akademischen Karriere hat Margherita von Brentano wenig Publikationen vorzuweisen. Dahingegen lebte sie auf beeindruckende und beispielhafte Weise ihre Forderung nach der Einheit von Theorie und Praxis vor.

Während ihrer langjährigen Tätigkeit als Redakteurin beim Südwestfunk setzte sie sich mit den Verbrechen an den Juden während des Nationalsozialismus auseinander. Zu einer Zeit, in der das Wort Faschismus in Deutschland noch ein Tabu war, thematisierte sie in mehreren Sendungen zur „Endlösung“ als eine der Ersten öffentlich den Holocaust. Dieses praktisch-politische Engagement setzte sie an der Universität fort, indem sie sich vehement für die Ausstellung “Ungesühnte Nazijustiz“ einsetzte. Ihre Forderungen um die Aufarbeitung der jüngsten deutschen Vergangenheit betonte sie auch 1960 als Leiterin der Tagung “Überwindung des Antisemitismus“, bei der sie gleichzeitig für die Anerkennung des Staates Israel einstand, sowie im Jahr 1961, als sie zusammen mit Peter Furth das erste wissenschaftliche Philosophieseminar über “Antisemitismus und Gesellschaft“ veranstaltete.

Ihre Bekanntheit als “rote Margherita“ verdankt sie letzten Endes nicht nur ihrem überzeugten Eintreten für den demokratischen Sozialismus, sondern auch weiteren kühnen und beharrlichen Einmischungen, die in die Zeit der 50er, 60er und 70er Jahre fallen:

Sie [Margherita von Brentano] nahm es mit der katholischen Kirche, in der sie als Tochter des deutschen Botschafters beim Vatikan beheimatet war, ebenso auf wie mit ihrem Dienstherrn, dem Wissenschaftssenator oder, nach Verkündung der Beschlüsse `gegen Radikale im öffentlichen Dienst´, mit dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Länder.“**

1958 setzte sie sich als Spitze der Bewegung “Kampf dem Atomtod“ gegen die Wiederaufrüstungsbestrebungen in der Bundesrepublik ein, auch als die SPD einen Kurswechsel machte und die linksgerichtete Bewegung fallen ließ. Zusammen mit anderen Intellektuellen nahm sie am ersten Ostermarsch 1960 in Hamburg teil. Während der Blockade von Mutlangen im Herbst 1983 setzte sie sich an der Seite von Helmut Gollwitzer und Heinrich Böll auf die Gleise, um gegen die Rüstungspolitik der NATO zu demonstrieren.

Neben ihren politischen Interventionen in Deutschland stand von Brentano für die Interessen der internationalen Solidaritätsbewegung der Studierenden ein, indem sie sich bereits in den frühen 60er Jahren mit den Befreiungskämpfen in Algerien solidarisierte. In späteren Reden thematisierte von Brentano auch die politischen Zustände in Nicaragua und prangerte faschistische Systeme in Spanien und Südafrika an.

1972 legte sie nach zwei Jahren ihr Amt als Vizepräsidenten der Freien Universität Berlin nieder, weil der Berliner Senat sich weigerte, den Trotzkisten Ernest Mandel an die Universität zu berufen.

Dieser politische Aktivismus bildet den Rahmen für ihren unermüdlichen Kampf gegen die Diskriminierung und Ungerechtigkeiten an deutschen Universitäten.

Als Margherita von Brentano am 21. März 1995 nach langer Krankheit verstarb wurde ihr der Wunsch erfüllt, auf dem Dahlemer Sankt Annen-Friedhof in Berlin beerdigt zu werden, weil dort auch bedeutende Vertreter der Studenten- und Anti-Atom-Bewegung wie Rudi Dutschke und Helmut Gollwitzer begraben liegen.

 

 

* Hella Tiedemann-Bartels, apl. Professorin am Institut für Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin von 1984-2001.

** Wolfgang Fritz Haug, Professor für Philosophie am Institut für Philosophie der Freie Universität Berlin vom 1979-2001.

 

Literatur:

  • Brentano, Margherita von (2010), „Abiturientin, Studentin, Vorurteil. Die Frau an der Hochschule“, in: Brentano, Margherita von / McLaughlin, Peter (Hrsg.), Akademische Schriften, Wallstein Verlag, Göttingen, 219-226.
  • Brentano, Margherita von (2010), „Die Situation der Frauen und das Bild `der Frau‘ an der Universität“, in: Brentano, Margherita von / McLaughlin, Peter (Hrsg.), Akademische Schriften, Wallstein Verlag, Göttingen, 132-154.
  • Brentano, Margherita von (2010), „Privilegierter Protest? Chancen und Gefahren der studentischen Oppositionsbewegung“, in: Brentano, Margherita von / McLaughlin, Peter (Hrsg.), Akademische Schriften, Wallstein Verlag, Göttingen, 308-316.
  • Brentano, Margherita von / Nachum, Iris / Neiman, Susan (Hrsg.)(2010), Margherita von Brentano. Das Politische und das Persönliche. Eine Collage, Göttingen, Wallstein Verlag.
  • Haug, Wolfgang Fritz (2011), „An Margherita von Brentano denkend“, in: Ausgezeichnet. Der Margherita-von-Brentano-Preis der Freien Universität Berlin, 5-7; eine frühere Fassung erschien unter dem Titel „Zum Tode von Margherita von Brentano“ in: Das Argument 209, 37. Jg., 1995, H. 2/3, 174f.

 

logo_trAndeS
Banner-Crolar