Gemälde des San Isidro Labrador
San Isidro Labrador Potosí, Bolivien Siglo XVIII Sammlung Riester ©Ethnologisches Museum Berlin (VA 67197_ohne)
Der Heilige Isidro wurde um 1070 in Madrid geboren und lebte dort bis zu seinem Tod am 15. Mai 1130.
Sein Leben lang arbeitete er als Bauer und erlangte dank seines Pflichtbewusstseins und Fleiß regionale Anerkennung. Bezeichnend für ihn waren neben der täglichen Arbeit auf dem Feld, auch sein täglicher Kirchgang und seine Wohltätigkeit. Zusammen mit seiner Frau Maria de la Cabeza (Torribia) kümmerte er sich um Hilfsbedürftige. Sie gründeten eine Laienbruderschaft und versorgten sowohl arme Pilger, als auch hungrige Tauben mit Essen.
Seinen guten Ruf und sein Ansehen bei der bäuerlichen Bevölkerung verdankte er besonders seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten erfolgreich in der Landwirtschaft zu arbeiten. Es ist bezeichnend, dass in den bekannten Überlieferungen – die älteste Beschreibung Isidros befindet sich in dem Kodex der „Leyenda des Juan Diacona“ (1275) – besonders Taten, die im Zusammenhang mit der Landwirtschaft stehen, hervorgehoben werden. Es ist die Wiedererweckung eines Esels, das Wunder der pflügenden Engel und vor allem des Brunnens und der Quelle, die der Außergewöhnlichkeit und Heiligkeit Isidros zugeschrieben werden.
Bis zur Zeit der Reconquista beschränkte sich die Verehrung und Bedeutung Isidros auf die bäuerliche Bevölkerung der Region Madrid. Nach der Vertreibung der Mauren aus Spanien und der Entdeckung Amerikas kam es zu einem gesellschaftlichen Wandel in Spanien, der zu einer allgemeinen Aufwertung der ländlichen Bevölkerung führte. Bis zum 17. Jahrhundert breitete sich die Verehrung und Annerkennung Isidros gesellschaftlich und regional aus. Es ist kein Zufall, dass die Kanonisierung gerade in diese Zeit fällt. Isidro von Madrid wurde zusammen mit den großen Kirchenmännern Franz Xaver, Filippo Neri und Ignatius von Loyala am 12. März 1622 vom Papst Gregor XV in Rom heilig gesprochen.
Der Heilige Isidro hatte für die, in das koloniale Lateinamerika einwandernde ländliche Bevölkerung Spaniens, nicht an Bedeutung verloren. Er wurde in die dortige landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft integriert und neu gedeutet.
Bis zu seiner Heiligsprechung gab es Darstellungen der verschiedenen Taten des Heiligen Isidros. Erst nach der Kanonisierung häuften sich die Darstellungen besonders eines Wunders - des „Quellwunders“ - und andere Wunder, wie z.B. das der „pflügenden Engel“ oder auch der „Wiedererweckung eines Esels“, verloren an Bedeutung.
Bei dem hier abgebildeten hochformatigen Gemälde nimmt das Quellwunder eine zentrale Stellung ein.
Bäuerlich bekleidet, mit lockigem Haar und im mittleren Alter dargestellt, nimmt Isidro fast die gesamte Fläche ein. Der Ochsenstab (aguijada), welcher diagonal über das gesamte Bild verläuft, ist ein Hinweis auf das Quellwunder. Bei diesem Wunder hatte Isidro mit dem Ochsenstab und dem Willen Gottes eine Quelle zum Sprudeln gebracht. Die elegante, spitze Halskrause verweist auf die „innere Schönheit“ des Heiligen – trotz oder gerade wegen seiner landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Untypisch an der Darstellung sind der breitkrempige Hut, die fehlenden Bärte und die Darstellung vieler Handlungen um Isidro herum. Diese Änderungen sind der Ausdruck andiner Eigenarten und lassen darauf schließen, dass der ursprünglich aus Spanien kommende Heilige Isidro sich in die kolonialen andinen Gesellschaften eingefügt hat. Der Hut ersetzt den sonst im Europa üblichen Heiligenschein und die fehlenden Bärte der Männer weisen auf die Bartlosigkeit der Indianer hin. Die vielen verschiedenen Handlungen –das Schächten von Tieren, das Pflügen der Felder durch Engel und das Sammeln von Früchten, sowie ernten von Getreide – lassen vermuten, dass dieses Gemälde von so genannten „Aleluyas“ inspiriert ist. Aleluyas sind im 18. Jahrhundert kursierende anonyme Drucke, in welchen - anders als in Europa üblich – in szenischer Abfolge, die Taten und Wunder eines Heiligen aus seinem Leben dargestellt werden.
Sebastian Lewicz