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Bilderserien als Verständniskategorie von Geschichte und Politik

Nach der spanischen Eroberung entstanden im Rahmen der Kolonisierung im Vizekönigreich Peru erste Porträtserien früherer inkaischer Herrscher. Die ersten solcher Serien wurden ca. 1571 vom damaligen Vizekönig Toledo in Auftrag gegeben. Die Art der Darstellungen orientierte sich u.a. an Berichterstattungen und Chroniken zu Struktur und Funktionsweise des Inkaimperiums, sowie zu deren politischen Führungskräften mittels Nachkommen von früheren Herrschern (zu ihnen gehören z.B. Garcilaso de la Vega und Guaman Poma de Ayala). Die Motivation jener Chronisten lag in erster Linie im Bestreben, eine Erinnerung an die eigenen Vorfahren und damit an die eigene vergangene politische Vorherrschaft wach zu halten. Die spanische Krone dagegen verfolgte den dokumentierenden Anspruch, sich mit der einstigen Elite in den eroberten Territorien auseinanderzusetzen und ihr einen historischen Platz zuzuweisen, der es erlaubte ihre Existenz in einem Rahmen von vergangener Herrschaftlichkeit zu präsentieren.

Die einstige Inkaherrschaft wurde dadurch als Teil eines evolutionären Prozesses dargestellt, deren natürliches Ende in einen Übergang zur spanischen Herrschaft mündete. Jene Darstellungsabsicht der spanischen Kolonisatoren ist in der hier abgebildeten "Porträtserie" deutlich daran zu erkennen, dass mit dem spanischen Conquistador Francisco Pizarro endet. Genealogische Darstellungen und Porträtierungen gehörten bald nach Eroberung zur klassischen Ausstaffierung von Institutionen und Haushalten der neuen spanischen und kreolischen Elite. Sie erfreuten sich jedoch auch großer Beliebtheit bei der indigenen Elite, wie z.B den caciques. Denn jene Darstellungen stellten für sie ein Statussymbol, im Sinne der Legitimation nobler Abstammung, welche sich in einem natürlichen Prozess neuen politischen Gegebenheiten angepasst hatte, dar. Somit erfüllten jene politischen und teilweise genealogischen Darstellungen bis 1750 sowohl für die kreolische als auch für die indigene Elite eine affirmative Funktion. Dies änderte sich jedoch mit den seit 1742 zunehmenden Konflikten um Landbesitz und Abgaben zwischen der indigenen Bevölkerung und der spanisch-kreolischen Elite. Zu dieser Zeit hatte die Verbreitung von bildlichen Darstellungen inkaischer Herrscher stark zugenommen. Jene Entwicklung ist u.a. auch auf die damalige Institutionalisierung der Cusco-Malschule und der zunehmenden politischen Präsenz indigener Eliten zurückzuführen. In jenem Klima politischer Unruhen empfand die spanisch-kreolische Elite die zunehmende Präsenz derartiger Darstellungen als Bedrohung für die eigene Vorherrschaft. Zu diesem Zeitpunkt begann sie daher damit, jene Darstellungen zu verbieten und zu vernichten. Mit der beginnenden Rebellion um Tupac Amaru II., im Jahre 1780, hebt sich daher die bilaterale Affirmation bildlicher Darstellungen von einstigen Inkaherrschern auf. Denn während  für die indigenen Eliten jene Darstellungen eine symbolische Brücke zwischen vergangener eigener Herrschaft und der Möglichkeit einer eigenen neuen politischen Zukunft repräsentierte, sah die kreolisch-spanische Elite darin keine Funktion mehr für die Manifestierung der eigenen politischen Vorherrschaft. Bildliche Darstellungen von Inkaherrschern interpretierte sie daher als Symbol und Rebellion und der Rivalität mit vorspanischen Herrschaftsformen und Strukturen.

MB