Frauen in Lehre, Forschung und Verwaltung
Das Geschlechterverhältnis der am Lateinamerika-Institut tätigen Personen sowie die wissenschaftliche Beschäftigung mit Geschlechterverhältnissen unterlagen in den vergangenen gut 50 Jahren einem tiefgreifenden Wandel. In den 1960er-Jahren beteiligten sich – abgesehen von einer Vertreterin der Wissenschaftsabteilung des Berliner Senats – ausschließlich Männer an den Gesprächen um die Gründung eines lateinamerikanischen Zentrums in Berlin. So ist es wenig erstaunlich, dass sie 1962 in den Diskussionen um dessen personelle Ausstattung die Schaffung des Postens eines Verwaltungsdirektors anregten, „der wohl doch ein Mann sein“ müsste.37
Nach der Gründung des Lateinamerika-Instituts bestimmte eine kleine Gruppe von Professoren über die Geschicke des Instituts und die Debatten im Institutsrat. Über die Rolle der zwei ebenso am Institut tätigen Professorinnen sowie der Sekretärinnen ist wenig bekannt. Im Verlauf der 1970er-Jahre nahmen weitere Wissenschaftlerinnen ihre Arbeit am Institut auf. 1977 waren vier der 14 Stellen für Assistentinnen und Assistenten bzw. Lektorinnen und Lektoren von Frauen besetzt. Die Berufung einer Expertin für Geschlechterstudien auf eine Professur für Soziologie läutete 1980 schließlich eine neue Phase ein. In den folgenden Jahrzehnten erhöhte sich der Zahl der weiblichen Beschäftigten in allen Bereichen konstant. Verbunden mit einer engagiert umgesetzten Frauenförderung liegt der Frauenanteil sowohl in der Gruppe der hauptamtlichen Professorinnen und Professoren als auch unter den Bachelor- und Masterstudierenden nunmehr seit einigen Jahren jeweils zwischen 70 und 80 Prozent.
Die Rolle der Frauen in Lateinamerika sowie die Bedeutung von Geschlechterverhältnissen stehen seit ungefähr 40 Jahren im Fokus zahlreicher am Lateinamerika-Institut beschäftigter Personen. In den 1980er-Jahren galt die Aufmerksamkeit vor allem Fragen der Entwicklung und ,Unterentwicklung‘, der Menschenrechte und des Zugangs zu Ressourcen. Seitdem hat sich das Interesse an der Geschlechterforschung, die seit mehr als zwei Jahrzehnten erfolgreich betrieben wird, noch intensiviert. Seit 2005 können sich Masterstudierende auch in einem eigenständigen Profilbereich auf die Beschäftigung mit Geschlechterverhältnissen, Lebensformen und Transformationen spezialisieren und dabei historischen und gegenwärtigen Prozessen, Repräsentationen und Verflechtungen aus unterschiedlichen disziplinären Blickwinkeln auf den Grund gehen.
37 Nachlass Hirsch-Weber, Sondersammlungen, IAI SPK, N-0086 b 15, Dok. 10, Hirsch-Weber an Bock (13.6.1962).