Nachruf Larissa Adler Lomnitz
News vom 02.05.2019
Am 13. April 2019 verstarb die international renommierte Sozial- und Kulturanthropologin Larissa Adler Lomnitz in Mexiko-Stadt. Als emeritierte Professorin der Universidad Nacional Autónoma de México erhielt sie neben vielen anderen Auszeichnungen 2006 den Premio Nacional de Ciencias y Artes – die höchste wissenschaftliche Auszeichnung Mexikos – und wurde 2010 zum Mitglied der American Academy of Arts and Science gewählt. Seit der Veröffentlichung ihres Buches „Como sobreviven los marginados“ 1975 wurde sie weit über die Sozial- und Kulturanthropologie hinaus weltweit bekannt. Ihre zahlreichen anthropologischen Studien sind seit langem wichtige Referenzen für sozialwissenschaftliche Forschung geworden.
In ihrem umfangreichen und komplexen Gesamtwerk befasst sie sich mit unterschiedliche Bereichen der politischen Anthropologie: urbane Anthropologie der Mittelklassen, Eliten und Unterschichten; soziale Netzwerke; politische Kultur und politische Rituale sowie universitäre Karrieren und klientelistische Strukturen in unterschiedlichen Kontexten. Ihre Forschung über den mexikanischen Präsidentschaftswahlkampf erschien 2013 auf Deutsch mit dem Titel: „Ritual und Symbole in der politischen Kultur Mexikos“ (edition tranvía, Verlag Walter Frey). Guillermo de la Peña würdigt das Werk der großen Kulturanthropologin zurecht folgendermaßen: “La obra de Larissa Lomnitz (…) ha abierto caminos inéditos para la antropología latinoamericana. Se ha atrevido a salir de los reductos indígenas y las comunidades campesinas para explorar e iluminar las clases medias, la ciudad, la universidad, las profesiones, los mundos de los grandes negocios, las redes familiares modernas, los partidos políticos e incluso el espacio cultural de la nación. Al rigor científico, al conocimiento de las teorías y la literatura empírica, ha unido una rara virtud: la intuición. Es además, una obra profundamente desmitificadora y crítica, pero sin retórica, sin aspavientos de radicalismo. Ha sido muy discutida y cuestionada, y lo seguirá siendo: es parte de su vitalidad.”
Larissa Adler Lomnitz war ukrainischer Herkunft und wurde 1932 in Paris geboren. Kurz danach zog ihre Familie nach Kolumbien; später nach Peru. Im Jahr 1948, als der Staat Israel gebildet wurde, schloss sich ihre Familie der Kibbuzin-Bewegung an. Dort heiratete sie 1950 den chilenischen Geophysiker Cinna Lomnitz, mit dem sie zunächst in Chile und den USA lebte. Sie erhielt einen Abschluss in Sozialanthropologie an der University of California in Berkeley und promovierte 1974 an der Universidad Iberoamericana (UIA) in Mexiko-Stadt. Seit 1969 lebte sie in Mexiko und arbeitete als Kulturanthropologin am Instituto de Investigaciones de Matemáticas Aplicadas an der Universidad Nacional Autónoma de México.
Larissa Adler Lomnitz war dem Lateinamerika-Institut der Freie Universität Berlin seit vielen Jahrzehnten eng verbunden. Sie hat seit den 1980er Jahre regelmäßig Seminare und Vorträge gehalten, in welchen ihr kritischer Geist, ihre ausgeprägte Originalität und Vitalität die Studierenden und Kollegen und Kolleginnen aus allen Disziplinen stets begeisterte. Im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes führten im Jahr 2007 Studierende und Lehrende des Lateinamerika-Instituts ein Interview mit Larissa Lomnitz Adler zu ihrem wissenschaftlichen Werdegang und ihren Forschungsschwerpunkten durch: Link
Ihrer Familie, ihren Söhnen Claudio, Alberto und ihrer Tochter Tania und ihren Enkelkindern fühlen wir uns in tiefer Trauer verbunden.
Für das Lateinamerika-Institut
Prof. Dr. Marianne Braig
Prof. Dr. Stephanie Schütze
PD Dr. Martha Zapata
Dr. Teresa Orozco