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Porträt Ana Ignacia Rodríguez (La Nacha)

Die junge Frau, die eine der bekanntesten weiblichen Aktivisten werden sollte, kam aus einer konservativen Familie aus der mexikanischen Provinz 1966 nach Mexiko-Stadt, um Jura zu studieren – mit „null politischer Bildung“, wie sie heute sagt. Die Fakultät war eine Hochburg der Regierungspartei, als Gegenbewegung dazu gründete sie mit anderen bald die Progressive Studentenpartei, die Kulturaktionen organisiert. Später begann sie sich für die kubanische Revolution und Che Guevara zu interessieren. In der Mobilisierung ab Juli 1968 war sie vor allem an den studentischen Brigaden beteiligt, die in der Öffentlichkeit über den Studentenstreik aufklärten – eine „typisch weibliche“ Aufgabe, die in den späteren 68er-Erinnerungen eher unterging. Als eine der wenigen Frauen war sie zudem gewähltes Mitglied im studentischen Streikrat CGH. La Nacha, wie sie im Strafregister geführt wurde, landete mehrfach hinter Gittern. Auch als das mexikanische Militär im September 1968 den Universitätscampus stürmte, gehörte sie wieder zu den Inhaftierten. „Wir waren dermaßen euphorisch, dass wir dachten, die anderen Genossen würden uns hören, und riefen laute Parolen, um ihnen Mut zu machen. Noch war uns nicht klar, was Repression hieß.“ Nach kurzer Zeit wurde sie auf Druck von draußen freigelassen. So war sie eine derjenigen, die am Nachmittag des 2. Oktober 1968 auf dem Platz der drei Kulturen standen, als die Schüsse begannen. Nach dem Massaker tauchte La Nacha, wie viele andere, unter. Im Januar 1969 wurde sie trotzdem gefasst und zu sechzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Ihre Zelle im Frauengefängnis von Mexiko-Stadt teilte sie mit einer anderen Aktivistin, La Tita. Erst im Dezember 1970 wurde sie im Zuge einer Amnestie freigelassen. Ihr Jura-Studium gab sie auf. „Ich habe nicht mehr an das Recht geglaubt, wollte keine Anwältin mehr sein.“ Erst im Jahr 1998 stieß sie zum „Comité 68“, einer Gruppe ehemaliger Aktivisten, die sich für die politische Erinnerung und die Strafverfolgung der Täter einsetzt – bis heute vergebens.

Mareike Lühring / Sherin Abu-Chouka