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Porträt Graciela Carnevale

Die 1942 geborene Graciela Carnevale stammt aus der argentinischen Provinzhauptstadt Rosario. Dort bildete sich im Jahr 1965 die Grupo de arte de vanguardia, eine der Künstlergruppen, die einen neuen politischen Anspruch formulierten. Die dreiundzwanzigjährige Carnevale übernahm anfangs die Pressearbeit und sammelte, zusammen mit ihrem Ehemann, dem Fotografen der Gruppe, Rezensionen zu den ersten Arbeiten und Ausstellungen. Im Jahr 1968 beteiligte sie sich an der Kollektivarbeit Tucumán Arde, einer Kunstaktion über die Verelendung in der nordargentinischen Zuckerregion. Im gleichen Jahr veranstaltete die Galerie Ciclo de Arte Experimental eine Reihe von Konzeptkunst Aktionen gegen die etablierten Kunstinstitutionen. Am 7. Oktober trug Carnevale dazu ihre Acción del Encierro bei: Ohne Ankündigung verließ sie die Vernissage und schloss die Besucher ein. Nach etwa einer Stunde beendete die Polizei das Spektakel. Carnevale erklärte später ihr Anliegen: „Jeder einzelne Betrachter sollte die Einschließung erfahren, die Unbequemlichkeit, die Angst und schließlich das Gefühl der Erstickung und Bedrückung, dass ein unvorhergesehener Akt der Gewalt auslöst“. Bereits 1969 hatte sich die Grupo de arte de vanguardia aufgelöst. Doch die Zeitzeugin Gabriela Carnevale hat die Materialien in einem Archiv gesammelt und so die Geschichte dieser politischen Experimentalkunst vor dem Vergessen bewahrt. Heute lebt sie noch immer in Rosario, arbeitet dort als Kunstproduzentin und lehrt als Kunstdozentin an der Universidad Nacional de Rosario. Einige ihrer Arbeiten waren auch in Deutschland zu sehen, etwa 2004 bei der Ausstellung „Ex Argentina“ im Museum Ludwig in Köln oder 2007 bei der documenta 12 in Kassel.

Christian Tinz