Bildliche Darstellung post-inkaischer Persönlichkeiten als Mittel politischer Symbolik
Im Rahmen des Regimewechsels unter der spanischen Krone zu Beginn des 18. Jahrhunderts, bei der die Adelslinie der Bourbonen die der Habsburger ablösten, wurden Verfassungsreformen eingeführt, die Auswirkungen im gesamten Königreich – einschließlich in den eroberten Gebieten der Neuen Welt – hatten. In Peru beinhalteten jene Reformen eine Ausweitung der Tributzahlungen und Zwangsarbeit auf den indigenen Adel, der bis dahin von der spanischen Krone protegiert und von solchen Maßnahmen befreit gewesen war. Über Nacht fielen dadurch zahlreiche Angehörige indigener Eliten auf den Status einfacher und mit wenigen Rechten ausgestatteter indigener Untertanen zurück. Gleichzeitig wurde mit diesen Reformen auch die politische Mittlerposition des indigenen Adels, welcher eine Kommunikation zwischen kreolisch-spanischen Eliten und der einfachen indigenen Bevölkerung ermöglicht hatte, ausgeschaltet. Der Unmut über zunehmende Tributzahlungen steigerte sich daher im 18. Jahrhundert. Sowohl indigene als auch mestizisch-kreolische Bildungseliten fühlten sich zunehmend von der königlichen Verwaltung ausgebeutet. Denn wer den Zahlungen nicht nachkommen konnte, musste seine Arbeitskraft in den Minen oder auf den Haciendas von Großgrundbesitzern verkaufen. Seit 1720 hatte es daher immer wieder Revolten und Aufstände, sowohl von indigener als auch von vereinzelt kreolisch-mestizischer Seite, gegen die königliche Verwaltung und die sie repräsentierenden Statthalter gegeben. Als dann 1751 der Vizekönig eine neue gesetzliche Regelung erließ, welche die Bevölkerung dazu zwang, regelmäßig europäische und amerikanische Erzeugnisse in bestimmten Mengen zu kaufen (repartimiento de comercio), entwickelte sich an vielen Orten offener Widerstand gegen den Staat. Die europäischen Güter im Vergleich zu einheimischen Produkten preiswerter; sie bedeuteten eine Gefahr für die einheimische Produktion und ihre Märkte. Die Rufe nach einer alternativen Regierungsform unter postinkaischen Führer wurden lauter. Inszenierungen traditioneller andiner Rituale und symbolische inkaische Darstellungsformen erhielten in diesen politischen Zusammenhängen eine völlig neue Bedeutung. Chroniken wie die zweite Auflage der Comentarios Reales von Garcilaso de la Vega, welche die frühere Inkaherrschaft in einen positiven Kontext stellten, begannen in Kreisen des postinkaischen Adels weitläufig zu zirkulieren. Angehörige indigener Eliten begannen damit, die indigene Symbolik verstärkt in den politischen Widerstandes zu integrieren. So organisierte der spätere Anführer der größten Rebellion gegen das spanische Vizekönigreich Peru, der Mestize Túpac Amaru II. in dieser Zeit religiöse Zeremonien an Plätzen der Huacas und rief zum Kampf im Namen der ermordeten Inka-Nachfahren auf. Auch die Produktion und Zirkulation bildlicher Darstellungen von Angehörigen der indigenen Eliten, welche sich mit inkaischer Symbolik (wie Trachten und Zeremonialgegenstände Bsp.) umgaben, nahm zu.
Nachdem die Rebellion 1781 niedergeschlagen war, ergriff die spanische Monarchie unter Anleitung des kolonialen Aufsichtsbeamten José Antonio de Areche Maßnahmen, um weiteren aufständischen Bewegungen vorzubeugen. So wurden bildliche Darstellungen von Inkaherrschern oder postinkaischen Eliten weiträumig vernichtet und deren Besitz verboten. Dokumente, welche inkaische Abstammungen genealogisch belegten, wurden ebenfalls zerstört. Das Tragen von indigenen Trachten, der Maskapaycha und der Inkakrone wurde untersagt. Darüber hinaus durften sich Angehörige indigener Eliten nicht mehr den Beinamen Curacas (cacique) geben. Auch der Gebrauch traditioneller andiner Instrumente, wie der pututus und das Aufführen von Theaterstücken über die inkaische Geschichte wurden untersagt. Indem zahlreichen aufständischen caciques die Ausübung ihres Amtes verboten wurde, wurde die inkaische "Nationalismusbewegung" schließlich in ihrer größten Stärke, ihrer machtvollen Symbolik, getroffen. Sie fand in dieser Form auch keine Wiederbelebung bei den Unabhängigkeitskämpfen um Jose de San Martín im Jahre 1820/21, bei denen in erster Linie Allianzen zwischen den kreolischen Eliten im Vordergrund standen. Zwar wurde immer wieder auf inkaische Symboliken (wie die Sonne). zurückgegriffen, um die Legitimation der Unabhängigkeit von der spanischen Krone zu betonen, jedoch wurden diese Symboliken von kreolischer und nicht indigener Seite angeführt und blieb darüber hinaus weitgehend gesichtslos und ahistorisch.
Martina Buschmann