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Soziolinguistik und Linguistik indigener Sprachen

Quechua-Unterricht am Lateinamerika-Institut

Quechua-Unterricht am Lateinamerika-Institut
Bildquelle: Teresa Valiente/CeDis

Das Lateinamerika-Institut (LAI) bietet ein im deutschsprachigen Raum einmaliges Lehr- und Forschungsangebot zu indigenen Sprachen Lateinamerikas: Regelmäßig werden Quechua, Aztekisch (Nahuatl) sowie die Mayasprachen Chol und K'iche' in Grund- und Aufbaukursen unterrichtet. Diese Sprachen werden heute noch von einer großen Anzahl von Menschen gesprochen: Quechua in den Andengebieten von 8.000.000 Menschen; Nahuatl in Zentralmexiko und K'iche' im Hochland von Guatemala von jeweils 1.500.000 und Chol im Hochland von Chiapas von 185.000 Personen.

Mit Ausnahme von Chol wurden alle Sprachen in der Kolonialzeit ab dem 16. und 17. Jahrhundert mit dem lateinischen Alphabet verschriftlicht und decken ein großes Spektrum an Textgenres ab, wie z.B. Testamente, Eingaben an Kolonialbehörden, Kaufverträge, Besitzurkunden etc. Heute sind Texte auf Quechua, Chol, K'iche' und Nahuatl vor allem Gegenstand mündlicher Überlieferung.

In den Lehrveranstaltungen für indigene Sprachen am LAI werden die Grundstrukturen der modernen gesprochenen Sprachen im Zusammenhang mit den Lebenswelten der indigenen Bevölkerung in historischer Perspektive behandelt. Neben sprachwissenschaftlichen Grundlagen, allgemeinen Terminologien und Methoden wird zudem die Arbeit mit indigenen historischen Quellen als Schwerpunkt der Ethnohistorie vermittelt. So bilden koloniale Texte, moderne Lieder und orale Traditionen ebenso eine Arbeitsgrundlage wie praxisorientierte Forschungen zu Spracherwerb, soziolinguistischen Aspekten (Alter, Geschlecht, sozialer Status, Bildung, Land-Stadt-Migration), Sprachkontakt und Sprachwandel sowie die Verschriftlichung oraler Sprachen.

Die Kenntnis indigener Sprachen Lateinamerikas ist eine wichtige Voraussetzung dafür, sich Äußerungen einer uns fremden Kultur angemessen zu nähern und entsprechende soziale Konstruktionen und kulturspezifische Kontexte zu verstehen. Hier steht die Überwindung eurozentristischer Herangehensweisen im Mittelpunkt, wie etwa das Aufbrechen eindimensionaler Sichtweisen unserer eigenen Kultur auf Sprache(n) und Kommunikationssituationen, die vor allem von Schriftsprache und formeller Schulausbildung geprägt sind.