Berlin in der lateinamerikanischen Literatur. Eine Spurensuche in lateinamerikanischen Texten und im Berliner Stadtraum (Projektleitung: Susanne Klengel)
Seminar im Wintersemester 2019/2020
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Im März 2021, nach einem Jahr des Abstandhaltens und des Lockdowns aufgrund der Sars-Cov19-Pandemie erscheint unser Seminar im Wintersemester 2019/2020 zur lateinamerikanischen Berlin-Literatur wie aus einer anderen Welt. Denn es war ein Kurs literarischer Flânerie nicht nur durch Texte, sondern auch durch den Berliner Stadtraum mit einer multinationalen Gruppe von Studierenden, die sich für diese literarischen Blicke auf Berlin begeisterten und ihrerseits begannen, die Berliner Vergangenheit und Gegenwart zu erkunden – aus der Perspektive einer vernetzten Welt, auf den Spuren lateinamerikanischer Begegnungen mit der Stadt und ihren Menschen. Mehrere Exkursionen in verschiedene Viertel oder Kieze waren Teil unserer gemeinsamen Auseinandersetzung mit den Texten, die von den Berlin-Erfahrungen ihrer Autor*innen berichten. Die Studierenden planten unsere Ausflüge auf dieser literarischen Basis, sie recherchierten vielfältiges historisches Material und bereiteten kreative Gruppenführungen vor.
Berlin ist heute Wohn- und Wirkungsort internationaler Künstler*innen und Schriftsteller*innen, darunter auch aus Lateinamerika. Oft ist die ehemalige Mauerstadt Thema und Gegenstand lateinamerikanischen Schreibens geworden. Die Anfänge solch literarischer Aktivitäten finden sich in den Zeiten des Kalten Kriegs, als Künstlerprogramme in Westberlin lateinamerikanische SchriftstellerInnen zu gewinnen suchten, während umgekehrt im Ostteil der Stadt ehrgeizige Verlagsprogramme die lateinamerikanische Literatur förderten. In den 70er und 80er Jahren kamen im Rahmen des DAAD-Künstler*innenprogramms unter anderen Sergio Ramírez, Cristina Peri Rossi, Ignácio de Loyola Brandão, João Ubaldo Ribeiro und Jorge Edwards; andere gelangten als Exilanten nach Westberlin wie der Chilene Antonio Skármeta, während sein Landsmann Carlos Cerda nach Ostberlin ging. Außerdem gab es auch andere persönliche Anlässe für den Weg von Lateinamerika nach Berlin wie etwa im Falle von Esther Andradi. Seit dem Mauerfall sind zahlreiche weitere Besucher*innen nach Berlin gekommen, wie Carmen Boullosa, Mario Vargas Llosa, Fábio Morábito, Chloé Aridjis oder Bernardo Carvalho und viele andere; und manche sind in der Stadt geblieben wie Samantha Schweblin, María Cecilia Barbetta oder Cristian Forte. Längst sind sie Teil der pluralen städtischen Literaturszene.
Das Seminar „Verflochtene Literaturen. Berlin als lateinamerikanische Literaturmetropole“ verstand sich als Beitrag zum forschungsorientierten Lernen im Bereich Literaturen und Kulturen Lateinamerikas und im Projekt „Writing Berlin“ des EXC 2020 Temporal Communities. Doing Literature in a Global Perspective. Es hatte einen theoretischen und einen praktischen Teil. Im Zentrum standen Autor*innen, die in ihren Texten Berlin als literarische Erfahrung beschrieben oder inszenierten. Manche dieser lateinamerikanischen Texte wurden im Laufe der Zeit sehr bekannt und ins Deutsche übersetzt, andere blieben ein Geheimtipp unter Kenner*innen und Interessierten. Diese Berlin-Texte haben wir zunächst literaturwissenschaftlich untersucht (unter Einbezug möglicher Prätexte, die von den Berlin-Gästen vielleicht gelesen worden waren, wie etwa Berlin Alexanderplatz oder Walter Benjamins Berliner Kindheit). Sodann befassten wir uns mit der spezifischen Darstellung des städtischen Raums und auffälliger Topographien und wir beschrieben solche Stadtrepräsentationen mit kulturwissenschaftlichen Instrumentarien (etwa mit Hilfe des Konzepts der Flânerie oder anhand von Diskursen über bestimmte historische Schauplätze oder anhand von Bewegungsmustern). Erforderlich war hierfür nicht nur die Bereitschaft der Seminarteilnehmer*innen, sich mit den Texten zu befassen, sondern auch, sich auf den konkreten Stadtraum einzulassen und für diesen einen offenen und neugierigen Blick zu entwickeln.
Bei unseren Exkursionen trafen wir mitunter Zeitzeug*innen, wir verweilten an bestimmten Orten und besannen uns auf Spuren oder historische Reste; oft lasen wir Textpassagen laut, sei es in der S-Bahn, U-Bahn oder auf einem Boulevard, oder zeigten einander historische Fundsachen. Unser Ziel war eine erste literarisch-affektive Kartographie Berlins als lateinamerikanische Literaturmetropole.
Auf diesen Erfahrungen aufbauend haben einige der Studierenden größere Abschlussarbeiten vorgelegt – künstlerischer oder akademischer Art, oder auch eine Mischung aus beidem. Im Folgenden sind diese engagierten Beiträge zu lesen und zu betrachten.
Die literarische Kartographie versteht sich als eine Art ergänzende Lesehilfe zum Roman. Sie möchte Menschen zur Lektüre einladen und bietet ein Instrumentarium zur Interpretation des Textes (auf Spanisch).
Von Gabriela Gonçalvez
Reflexionen im Rahmen eines Essays.
Von Jef Biebuyck
Poetische Spurensuche im Rahmen eines Essays.
Von Carmen Montes Izquierdo
Eine filmische Berlin-Reflexion (YouTube-Kanal)
Einführung, Film.
Von Natalia del Carmen Eduardo
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Berlin, März 2021
Susanne Klengel (Seminarleitung)