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Der globale Wandel der Kategorie „Zwangsarbeit“: Klassifizierung und Vergleich der Deutungsmodelle der Arbeitswelt in der International Labour Organization (ILO), 1919-2017

Dieses Vorhaben erforscht den globalen Wandel der Kategorie „Zwangsarbeit“ aus klassifikations- und vergleichssoziologischer Sicht anhand der International Labour Organization (ILO), die seit 1919 den Diskurs darüber entscheidend prägt. Im imperialen Kontext der Zwischenkriegszeit verstand sie „Zwangsarbeit“ vorwiegend als koloniales Phänomen; seit den späten 1990er Jahren betrachtet sie diese als Phänomen des weltweiten Arbeitsmarkts im Strukturkontext globaler sozialer Ungleichheit. Die Ausgangsfrage des Projekts ist, welche Kontinuitäten und Brüche die Deutung der „Zwangsarbeit“ in Klassifikations- und Vergleichsprozessen erfährt. Aus Perspektive der globalen historischen Soziologie wollen wir in zwei qualitativen Mikrostudien zum einen die Historizität dieser Kategorie im imperialen Kontext auf Basis historischer Quellen und Dokumente der ILO, zum anderen ihre gegenwärtige globale Verortung an den Initiativen zu ihrer statistischen Erfassung, Quantifizierung und Messung untersuchen. Die Ausgangsannahme ist, dass die Kategorie „Zwangsarbeit“ eine Metamorphose von einem partikularen außereuropäischen zu einem globalen Problem erfährt, die mit historisch längeren Auseinandersetzungen über die Trennung von „freier“ und „unfreier“ Arbeit verknüpft ist.

Mit diesem Vorhaben soll ein gesellschaftlich signifikantes und virulentes Phänomen der aktuellen Arbeitswelt untersucht werden, das bislang weder die Aufmerksamkeit der Arbeits- und Ungleichheitssoziologie noch der soziologischen Globalisierungs- und Geschlechterforschung erhalten hat. Anknüpfend an die globale Arbeits- und die Geschlechterforschung möchte das Projekt zur Auseinandersetzung mit einem Grundbegriff und Deutungsmodell der Sozialwissenschaften beitragen, das spezifische europäische Erfahrungen zum Maßstab eines vermeintlich universalen Konzepts von „freier Arbeit“ macht.