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Vorstellung ausgewählter Promotionsprojekte

                                                                                                                           

News vom 04.04.2012

Promotionsprojekt: Funktechnologie in Argentinien, Akteure in globalen Vernetzungs- und lokalen Aneignungsprozessen, 1898 – 1927 (Niklaas Hofmann)

Ob arbeiten per E-Mail, Informationsbeschaffung im Internet oder neuerdings die Allgegenwärtigkeit der Smartphones: eine immer schnellere und mobilere Kommunikation ist für uns eine zentrale Erfahrung des beginnenden 21. Jahrhunderts. Diese Beobachtung hat mich als Historiker neugierig gemacht: Wie gestaltet sich der Aufbau einer neuen Kommunikationstechnologie in einer global vernetzten Welt und welche Akteure sind dabei die treibenden Kräfte?

Ähnlich wie das Internet heute revolutionierte die elektronische Funktechnik die Kommunikation zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Eine kabellose Informationsübermittlung per Funkentelegrafie erlaubte es beispielsweise, mit Schiffen auf hoher See zu kommunizieren – und Menschen aus Seenot zu retten, wie das gefunkte S.O.S. der untergehenden Titanic 1912 medienwirksam bewies. Dieser technologische Fortschritt bildete zugleich die Grundlage für die Erfindung des Hörfunks. Das Radio ermöglichte erstmals das Senden von Ereignissen in Kultur, Sport sowie Politik und erreichte ein neues Massenpublikum, sei es bei der Live-Übertragung eines Boxkampfs oder der Rede eines Präsidenten.

Ausgehend von diesen Beobachtungen und Fragen untersuche ich am Beispiel der Funktechnik die Dynamik technischer Transferprozesse sowie die dadurch ausgelösten gesellschaftlichen Herausforderungen. Argentinien ist als Fall deshalb so interessant, weil das Land in der entscheidenden Entwicklungsphase von Funkentelegrafie zum Rundfunk Vorreiter in Lateinamerika  war. Auch vollzog sich dieser Umbruch zeitgleich zu europäischen und nordamerikanischen Ländern, in denen die technische Grundlagenforschung stattgefunden hatte.

An dem Aufbau der Funktechnologie beteiligten sich Ingenieure international agierender Unternehmen, Diplomaten, Politiker und Militärs. Aber es mischten sich auch zivilgesellschaftliche Akteure ein: Bereits vor dem 1. Weltkrieg bildeten sich in verschiedenen Ländern lokale Radioamateurgruppen, die sich nach dem Krieg international vernetzten, nicht zuletzt über ihr Hobby, den Amateurfunk. Zwischen diesen Akteuren bestanden teilweise erhebliche Interessenunterschiede. Während etwa das Militär strategische Vorteile und Kontrolle des nationalen „Äthers“ erreichen wollte, bemühten sich argentinische Amateure um eine internationale Vernetzung mit andern Amateuren und um die Verbreitung der Kenntnisse zu dieser neuen Technologie.

Um diese Interessenkonflikte und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse nachzuvollziehen, besuche ich während meines derzeitigen Forschungsaufenthalts in Buenos Aires so unterschiedliche Orte wie das Zentralarchiv der Marine der Argentinischen Republik, das Archivo General de la Nación und den ältesten Radioclub in Südamerika, den Radio Club Argentino, auf der Suche nach Puzzleteilen der Geschichte der Radiokommunikation in Lateinamerika.

Niklaas Hofmann ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZI LAI, seine Promotion wird von Prof. Dr. Stefan Rinke betreut.

Promotionsprojekt: „Transregionale Sojaproduktionskette und die Aushandlung des Staates in Argentinien – Regulierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln“ (Markus Rauchecker)

Soja ist in aller Munde. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Verwendung von Soja als Futtermittel für die Fleischproduktion ist ein breit diskutiertes Thema. Soja ist unter anderem auch in Biokraftstoffen, industriell gefertigten Nahrungsmitteln (wie Speiseeis und Schokolade), Medikamenten und Industrieprodukten (wie Farben, Lacke und Reinigungsmittel) enthalten. Diesem weltweiten Konsum steht die transregionale Sojaproduktionskette gegenüber. Mehr als 90 % des weltweiten Handelsvolumens von Sojabohnen, -mehl und -öl werden in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und den USA angebaut. Charakteristisch für den großflächigen, exportorientierten Sojaanbau ist das technologische Paket aus transgenem Saatgut (Roundup Ready Soy) und den korrespondierenden Pflanzenschutzmitteln (Glifosato in Kombination mit anderen Pestiziden).

Mein Dissertationsprojekt ist eingebettet in die Diskussion über die Externalisierung der sozio-ökologischen Kosten (Entwaldung, Degradierung der Böden, Verlust von Biodiversität, Kontaminierung der Böden und des Grundwassers, Abwanderung der Bevölkerung, Konzentration der Agrarstruktur, Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung durch Einsatz von Pflanzenschutzmitteln), die durch dieses Produktionsmodell entstehen. Diese sozio-ökologischen Kosten, die eine zeitlich und räumlich ungleiche Verteilung aufweisen, sind eingeschrieben in das Exportprodukt Sojabohne, -mehl oder -öl. Die Soja-Importländer vermeiden diese Kosten auf ihrem Territorium und importieren auf diese Weise zudem virtuell Wasser und Nährstoffe, die durch den Sojaanbau in einem anderen Land verbraucht werden.

In diesem Zusammenhang beschäftigt sich meine Forschung mit der politikwissenschaftlichen Frage nach der Entstehung und Implementierung der Regulierung des Sojaanbaus im Hinblick auf die Vermeidung sozio-ökologischer Kosten. Der Fokus liegt dabei auf der Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung durch den Pestizideinsatz in der Nähe urbaner Gebiete. Die Formulierung und Implementierung der genannten Regulierung wird als Ergebnis von Aushandlungsprozessen zwischen ökonomischen, sozialen und staatlichen Akteuren verstanden. Im Promotionsprojekt wird die Frage gestellt, inwieweit verfassungsrechtliche, institutionelle und sozio-politische (Parteien und politische Netzwerke) Faktoren auf diese Aushandlungsprozesse wirken? Aus der Perspektive der Ungleichheitsforschung wird die Frage aufgeworfen, inwiefern die politische Bearbeitung der sozio-ökologischen Ungleichheiten durch sozio-politische Ungleichheiten in den Aushandlungsprozessen (wie Wissensasymmetrien) strukturiert wird. Die Studie ist als within-site case study unter Verwendung der subnational comparative method konzipiert. In der Doktorarbeit werden die Fälle der Kommunen San Francisco (Provinz Córdoba) und San Jorge (Provinz Santa Fe) dem Fall des Viertels Ituzaingó Anexo in der Hauptstadt der Provinz Córdoba gegenübergestellt, da dieses eine divergente ökonomische und soziale Struktur aufweist.

Meine Doktorarbeit verfasse ich im Rahmen des Drittmittelprojektes desiguALdades.net unter Betreuung von Prof. Dr. Marianne Braig und PD Dr. Martha Zapata Galindo. Im Moment befinde ich mich auf meinem ersten Forschungsaufenthalt in Argentinien.