Vorstellung von Promotionsprojekten
News vom 08.10.2014
Im Zentrum meines Promotionsprojektes steht die ökokritische und ökofeministische Analyse des literarischen Gesamtwerks der argentinischen Autorin Angélica Gorodischer (geb. 1928). Im Rahmen eines 3-monatigen Forschungsaufenthaltes in der argentinischen Stadt Rosario im Jahr 2012 konnte ich an unterschiedlichen Literaturworkshops der Autorin teilnehmen und verschiedene Interviews durchführen. Das Werk von Angélica Gorodischer enthält in der ersten Phase (ca. 1965-1985) vorrangig Science Fiction Romane. Das innovative Potenzial meines Projektes besteht vor allem in der Analyse dieses traditionell von männlichen Autoren dominierten literarischen Genres – welches nun von einer Autorin aus Lateinamerika heraus formuliert wird. Hier gehe ich der Frage nach, inwieweit die lateinamerikanische ciencia ficción eigene Modi herausgebildet hat und wie in Gorodischers futuristischen Welten ökologische Szenarien inszeniert werden.
Die Ökokritik entstand aus dem sogenannten Ecocriticism, einem heterogenen Forschungsfeld, dass seit den 1990er Jahren fest in den US-amerikanischen Literatur- und Kulturwissenschaften etabliert ist. Natur- und Umweltrepräsentationen werden in literarischen Texten untersucht und auch anhand der Analyseachse Natur-Kultur-Text bearbeitet. Die Literatur- und Kulturwissenschaften können in der Darstellung, Repräsentation und Konfrontation der globalen ökologischen Krise wichtige und neue Impulse liefern. Besonders im deutschsprachigen Raum klaffen aber noch große Forschungslücken in der ökokritischen und ökofeministischen Analyse insbesondere lateinamerikanischer Literaturen.
Der Ökofeminismus wird hier als eine Art „Ast“ des Forschungsfeldes der Ökokritik verstanden und untersucht Natur- immer in Verschränkung mit Geschlechterverhältnissen. In meinem Promotionsprojekt beziehe ich zudem Utopie- und Körpertheorien sowie postkoloniale Analyseansätze mit ein. Die Natur- und Umweltdebatten in den Texten Gorodischers werden auch anhand der Differenzlinie von race, class und gender bearbeitet. Zentrale Fragestellung ist dabei welche Tendenzen, Transformationen und Brüche sich in den Naturrepräsentationen in Gorodischers Gesamtwerk aufzeigen lassen. Der Fokus meiner Untersuchung liegt weniger darauf, aufzuzeigen wie Natur und weibliche Figuren ausgebeutet werden, als vorrangig darauf, die in Gorodischers literarischen Texten formulierten Widerstandsformen sowie Dekonstruktionen und Parodien konventioneller Natur- Geschlechterverhältnisse herauszuarbeiten. Ziel meines Promotionsprojektes ist also, ausgehend vom Werk der argentinischen Autorin Angélica Gorodischer, lateinamerikanische Science Fiction, die ganz eigene Modi herausgebildet hat, zu präsentieren, und darüber hinaus das heterogene Forschungsfeld der Ökokritik und des Ökofeminismus um eine lateinamerikanische Perspektive erweitern.
Mein Promotionsprojekt wird durch Prof. Dr. Susanne Klengel betreut. Seit Juli 2012 werde ich durch ein Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin gefördert. Außerdem bin ich u. a. Mitglied des DFG-Netzwerkes „Ethik und Ästhetik in literarischen Repräsentationen ökologischer Transformationen“.
„Widerstand gegen Agrargentechnik in Argentinien und Brasilien“ (Renata Motta)
Die Einführung von Agrargentechnik ist Teil eines globalen Strukturwandels in der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, der unter anderem einen beschleunigten Prozess der Kommerzialisierung von Saatgut und Land, die verstärkte Integration von Rohstoffketten, eine Intensivierung der Lebensmittelverarbeitung und der Unternehmenskontrolle in allen Knoten der Nahrungskette, nämlich vom Erzeuger zum Verbraucher, beinhaltet. Die zunehmende Integration des Agrar-Lebensmittelsystems mit den oben beschriebenen Eigenschaften bringt eine asymmetrische Verteilung von Einkommen, Rechten und Risiken mit sich; es schafft neue Ungleichheiten. Die arme Landbevölkerung in Exportländern trägt die größten Lasten durch die negativen Folgen einer expansiven, profitablen und chemisch intensiven Produktion von Rohstoffen: Sie leiden unter der Verletzung ihr Landrechte, kulturellen Traditionen sowie ihr Recht auf eine gesunde Umwelt und ein gesundes Leben.
Brasilien und Argentinien sind die zweit- und drittgrößten Produzenten von Agrargentechnik weltweit. Das darauf basierende Modell scheint Konsens oder gar hegemonial zu sein. Meine Forschung zielt auf die Identifizierung von gegen-hegemonialen Versuchen diesen Agrarwandeln mitzugestalten, die aus sozialen Bewegungen und ihren Verbündeten stammen, wie auch die Reaktionen von politischen Akteuren, Experten und Wirtschaftsakteuren zur Unterdrückung von Dissens und Demobilisierung von Widerstand. Im Rahmen meiner empirischen Forschung habe ich 28 Tiefeninterviews mit den wichtigsten Aktivisten und Organisationen sozialer Bewegungen durchgeführt. Die Dissertation stützt sich auf Theorien der sozialen Bewegungen, die erklären, warum soziale Bewegungen entstehen, wie sie mit den Gegnern und Behörden interagieren und welches ihre Aktionsformen und deren Auswirkungen sind.
Der Vergleich der sozialen Auseinandersetzungen über Agrargentechnik in Argentinien und Brasilien in den letzten beiden Jahrzehnten zeigt, dass der Staat bei der Vermittlung zwischen Anforderungen der Marktregulierung für die Anwendung von Biotechnologie und den dagegen im Namen des Rechtsschutzes erhobenen Ansprüchen in beiden Ländern die Marktinteressen privilegiert und damit die Kluft zwischen Agrarindustrie und Bauernwirtschaft verschärft hat. Die Konsolidierung der Agrarindustrie war nicht eine automatische Folge der verkündeten Effizienz in der Ernährung der Weltbevölkerung, sondern vielmehr Ergebnis von politischen Entscheidungen sowie von Gewaltausübung und Kriminalisierung der Aktivisten und der Landbevölkerung.
Das von Sérgio Costa betreute Promotionsprojekt konnte ich zunächst durch ein Stipendium der Konrad Adenauer Stiftung, anschließend durch ein Stipendium des Forschungsnetzwerks desiguALdades.net durchführen. Zurzeit bereite ich die Einreichung der Dissertation im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Soziologie am LAI vor.